Ich weiß nicht, ob ihr euch vorstellen könnt, mit welchen Widrigkeiten man sich grundsätzlich als offen queere Person und in meinem Fall speziell als lesbische Frau auseinandersetzen muss. Auch in der viel besungenen Schwulenhauptstadt Köln.
Fußball in seiner puren, reinen Form war und ist, trotz seiner „Maskulinität“, Diversität und seinen unbedachten (homophoben und sexistischen) Sprüchen immer irgendeine Form von Safespace für mich gewesen. Ein Ort, an den ich mich zu meinen Freunden zurückziehen kann, wenn ich mal wieder in meinem regulären Leben mit irgendeiner homo feindlichen Scheiße in Berührung gekommen bin.
Dass diese WM in Katar eine absolute Shitshow ist und sich bereits weit vor ihrem Start seit mehreren Wochen und Monaten komplett negativ behaftet mit widerlichen Schlagzeilen überschlägt, müssen wir euch nicht mehr erzählen.
Dass an einem Boykott schon seit geraumer Zeit kein Weg vorbeiführt, zeigen in jüngster Vergangenheit viele gute Gründe. Hier seien nur zwei zu nennen, auf die wir nicht weiter explizit eingehen werden. Ob es jetzt die Tatsache der gekauften WM-Vergabe ist, wir wissen, ihr lest jetzt zum 1948 Mal, dass die FIFA korrupt ist, oder das 15.000fache Leben-lassen der Gastarbeiter im Zuge der Bauarbeiten der WM!
Nun hat es für uns, oder viel mehr für mich, eine weitere Eskalationsstufe erreicht, indem nicht nur wiederholt frauenverachtendes Gedankengut, sondern erneut Menschenrechtsverletzungen in Form von Hass gegen meine Identität bzw. meine Person an den Tag gelegt wurden.
Hier sei explizit zu sagen, dass Homofeindlichkeit nicht schwerer zu wiegen sei als ein Menschenleben. Es trifft jedoch hier erneut einen Punkt, der einzelne Teile unserer Gruppe und somit auch uns alle betrifft!
Wer im 21. Jahrhundert allein noch ernsthaft und standhaft behauptet, dass Homosexualität „haram“ ist und mit einem „geistigen Schaden“ zusammenhängt und das mit dem Verweis auf Religion begründet, hat jegliche Form von Respekt verwirkt.
Ein jede*r Mensch sei willkommen, um diese WM zu feiern, sofern „Regeln“ eingehalten werden? Was für eine Scheinheiligkeit. Wie rechtfertigt man denn vor sich selbst, dass beispielsweise Berichte gibt, dass queere Menschen von der katarischen Polizei verfolgt und sogar vergewaltigt wurden?
Was ist das für eine unfassbare Doppelmoral. Kollege, du musst gar nicht gutheißen, oder es hat dich schlichtweg gar nicht zu interessieren, mit wem ich ins Bett gehe, du kannst und wirst meine Freiheit aber in keiner Weise mit deinen lächerlichen „Regeln“ beschränken. Ich handle eigenverantwortlich.
Kommt. Gebt Sklavenarbeit bis zum Tod (den (Gast)Arbeitern geht es lt. unserem Lieblings-Uli durch die WM schließlich besser und nicht schlechter!), der Entrechtung der Frau (Menschenrechtsverletzungen treten grundsätzlich ja in jedem Land auf, oder Thomas?) oder Homofeindlichkeit „auch mal eine Chance“ (nicht wahr, Basti?).
Ihr mit eurer lächerlichen Scheinheiligkeit und erbärmlichen Doppelmoral. Wer nach all dem Wissen, was wir mittlerweile haben, noch guten Gewissens nach Katar reisen kann, um dort zu spielen, oder auch nur ein einziges Spiel der WM im Fernsehen verfolgt, der unterstützt sehenden Auges ein menschenverachtendes Regime.
Der Fußball beerdigt sich seit geraumer Zeit selbst. Schon lange geht es nicht mehr um den Sport an sich, sondern um die eigenen (finanziellen) Interessen. Korruption von Funktionären steht im Vordergrund.
Fußball war und ist politisch. Fußball war und ist für jede*n.
Fuck FIFA.
Fuck Katar.
Fuck Menschenrechtsverletzungen.
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Frauenrechte sind Menschenrechte.
LGBTQIA+ Rechte sind Menschenrechte.
Arbeiterrechte sind Menschenrechte.
Und Menschenrechte sind unverhandelbar!
Definitionsmacht Colonia – November 2022